Im Hinblick auf den anhaltenden Reefer-Hype hier im Forum möchte ich heute die Aufmerksamkeit auf das Thema Containerschiffe mit eigener Ladungskühlanlage lenken.
Durch den Siegeszug des Containers im Stückguttransport hat auch die konventionelle Kühlschifffahrt große Ladungsanteile verloren und dieses Marktsegment zu einem Nischenmarkt werden lassen. Dabei ist strittig, ob Containerschiffe, die einen erheblichen Anteil Kühlcontainer transportieren, den Kühlschiffen zuzurechnen bzw. als Kühlcontainerschiffe zu bezeichnen sind oder nicht.
Die konventionellen Stückgutfrachter im Linienverkehr nach Australien und Neuseeland waren in der Regel mit einem hohen Anteil von Kühlladeräumen ausgestattet, weil auf der Rückreise bedeutende Mengen an Fleisch, Fisch und Saisonfrüchten nach Europa transportiert wurden.
Mit der Umstellung dieser Dienste auf den vorteilhafteren Containerumschlag, gaben die Reedereien OCL und ACT in den 60ger Jahren Containerschiffe mit schiffseigenen Ladungskühlanlagen und Kühlstäben zum Anschluss isolierter Container (Porthole-Container) in Auftrag.
Bei diesem System kühlen die Ladungskühlanlagen im Maschinenraum des Schiffes Luftkühler, die sich im Laderaum befinden und die mit einem ebenfalls im Laderaum installierten System von horizontalen oder vertikalen Kühlstäben an den Stirnseiten der Containerslots verbunden sind.
Porthole-Containern sind isolierte Container für den Kühltransport, an deren Stirnseite (Seite gegenüber der Tür) sich ein verschließbarer unterer Einlass (für die Kaltluft) und ein oberer verschließbarer Auslass (für die Warmluft) befinden. Mit diesen Öffnungen werden die Container an die Kühlstäbe im Laderaum angeschlossen.
Die Luft zirkuliert am Luftkühler vorbei und, auf die gewünschte Temperatur gebracht, über die Kühlstäbe in den unteren Einlass des Porthole-Containers. Sie wird in der oberen Öffnung des Containers wieder angesaugt und zurück über die Kühlstäbe zum Luftkühler geführt. Der Porthole-Container wurde wegen dieser Konstruktion ausschließlich unter Deck befördert. Das System wird auch als Con-Air-System bezeichnet.
In den Abfahrts- und Ankunftshäfen mussten ebenfalls entsprechende Anlagen mit Kühlstäben zum Anschluss der Porthole-Container errichtet werden. Auf dem LKW-Transport erhielten die isolierten Container an der Stirnseite außen ein so genanntes Clip-on Aggregat, welches den Container durch die Öffnungen mit der entsprechenden Luftzirkulation und Kühlung versorgte, mit dem angeflanschten (recht großen) elektrisch betriebenen Aggregat hatte der Container jedoch keine ISO-Abmessungen mehr.
Der neue Containerdienst nach Australien und Neuseeland startete 1969. Die ersten Einheiten, die zum Einsatz kamen, waren 6 OCL Schiffe der Encounter-Bay Klasse, gebaut bei HDW, Blohm & Voss und Upper Clyde Shipbuilders sowie 3 Schiffe der ACT des Typ D vom Bremer Vulkan.
Hier im Bild die ENCOUNTER BAY:
ENCOUNTER BAY, 1969 von HDW, Hamburg an Overseas Containers Limited, London,
Antrieb durch Stal Laval Dampfturbine, 32.450 PS, 1 Propeller, 22,0kn
1.530TEU davon 374 Porthole-Container (24% Reeferanteil, 349.000cbf Kühlkapazität)
Zum Vergleich, im Hintergrund das konventionelle Kühlschiff PROVINIA DE EL ORO ex
MAGLEBY MAERSK Baujahr 1964 verfügt über eine Kühlraumkapazität von 352.000cbf und zählte damit zu den (am häufigsten gebauten) mittelgroßen Kühlschiffen in den 60ger Jahren (Geschwindigkeit 20,0kn).
Zur gleichen Zeit gab es bereits den isolierten Integral-Container, bei dem ein Kühlaggregat innerhalb der ISO-Abmessungen des Containers fest eingebaut ist und welches lediglich einer Stromversorgung bedarf. Die Schiffe, die diese Kühlcontainer transportieren, haben hierfür eigens Stellplätze mit Stromanschlüssen ausgestattet (Reeferplugs). Je nach Anzahl der Reeferplugs müssen die Schiffe über entsprechende Generatorkapazitäten zur Stromerzeugung verfügen. Sind Stellplätze mit Reeferplugs unter Deck vorgesehen, bedarf es zusätzlich zur Abfuhr der Abwärme einer Lüftung.
Integral-Container wurden anfangs überwiegend im Transatlantik-Dienst (Ost-West-Verkehr) eingesetzt, wo das Kühlladungsaufkommen nicht so groß war, zumeist wurden die Reeferplugs an Deck gefahren, damit erübrigte sich die Lüftung des Laderaums.
Der Einsatz von Porthole-Containern bot gegenüber dem Integral-Container jedoch einige Vorteile:
- Durch die zentrale Ladungskühlanlage wurde ein höherer Wirkungsgrad erreicht (geringerer Energieaufwand)
- Die Porthole-Container hatten einen höheren Rauminhalt (wegen des fehlenden Aggregates)
- Die Investitionskosten für das Porthole-System waren in der Anfangszeit der Container-Schifffahrt geringer, man bedenke, dass je Schiff 3 Containersätze benötigt
wurden (Ladehafen, Schiff, Löschhafen) und Integral-Container waren noch sehr hochpreisig und wartungsintensiv
- Integral-Container mussten während der Seereise täglich von einer Fachkraft am Stellplatz überprüft werden, bereits ein sehr großer Aufwand bei mehr als 100
Integral-Boxen an Bord. Dabei waren die Aggregate noch sehr störanfällig und unzuverlässig
Der letzte Punkt war der entscheidende für den Einsatz der Con-Air-Schiffe, sie transportierten einen sehr hohen Anteil von Kühlcontainern, deren Kühlung zentral über die Ladungskühlanlage überwacht und gesteuert werden konnte. Der Integral-Container war, wie bereits gesagt, im Transatlantik-Verkehr anzutreffen, denn die dort fahrenden Schiffe hatten in den 70ger Jahren meist weniger als 100 solcher Boxen an Bord.
1971 erfolgte die Indienststellung eines der bis dahin größten Con-Air-Schiffe:
COLUMBUS NEW ZEALAND, 1971 von HDW, Hamburg an HSDG zum Einsatz in der Columbuslinie (Südamerika-Nordamerika-Australien-Neuseeland), Antrieb durch AG Weser/GE Dampfturbine 25.000PS, 1 Propeller, 20,0kn, insgesamt wurden 3 Einheiten gebaut.
1.187TEU davon 545 Porthole-Container plus 99 Integral-Container an Deck (54% Reeferanteil, 591.000cbf Kühlkapazität)
Das Schiff galt bei seiner Indienststellung als das größte „Kühlschiff“ der Welt, zum Vergleich im Hintergrund die SNOW FLAKE, eines der damals größten konventionellen Kühlschiffe mit einer Kühlkapazität von 582.000cbf (Baujahr 1972 Geschwindigkeit 22,8kn, insg. 8 Schwesterschiffe). Diese Schiffe hatten 16 Anschlüsse für den Transport von Integral-Containern an Deck (i.e. 13.600 zus. Cbf)
Doch es geht noch größer, im Jahr 1978 kam die NEW ZEALAND PACIFIC in Fahrt:
NEW ZEALAND PACIFIC, 1978 von Bremer Vulkan, Bremen an ein Konsortium von ANL, ACT, OCL, SCNZ zum Einsatz auf der Linie Europa-Australien-Neuseeland. Antrieb 2 MAN Dieselmotoren je 26.640PS, 2 Schrauben, 23,0kn. Insgesamt wurden 5 baugleiche Einheiten beim Bremer Vulkan gebaut, bekannt als AUSTRALIAN VENTURE-Klasse (benannt nach dem ersten Schiff).
2.345TEU davon 1.275 Porthole-Container, (54% Reeferanteil, 1.188.000cbf !! Kühlkapazität)
Die 5 Schwestern galten damit als die größten Kühlcontainerschiffe der Welt.
In der Südamerikafahrt (Ostküste), einem anderen sehr stark von Kühlladungen geprägten Fahrtgebiet, begann sich der Container erst recht spät und langsam durchzusetzen. Erst im Jahr 1981 begann die HSDG ihre Flotte auf Containerschiffe mit Kühlkapazität umzustellen und setzte dabei ebenfalls auf Porthole-Container.
Das Bild zeigt die MONTE ROSA einkommend und die HUMBOLDT EXPRESS auslaufend, das Elbefahrwasser verlassend.
MONTE ROSA, 1981 von AG Weser, Bremerhaven an HSDG, Hamburg zum Einsatz im Europa-Südamerika-Dienst (Ostküste). Antrieb 1 Dieselmotor 14.400PS, 1 Propeller, 18,0kn, Schwesterschiff MONTE CERVANTES.
1.200TEU davon 536 Porthole-Container plus 30 Integal-Container (45% Reeferanteil, 525.000cbf Kühlkapazität)
HUMBOLDT EXPRESS, 1984 von Samsung H.I. Koje an Hapag-Lloyd, Hamburg zum Einsatz zwischen Nordeuropa und der Westküste Südamerikas. Antrieb 1 Dieselmotor 19.800PS, 1 Propeller, 18,0kn, Schwesterschiff CORDILLERA EXPRESS.
2.181TEU davon 132 Porthole-Container plus 99 Integral-Container an Deck (11% Reeferanteil, 207.000cbf Kühlkapazität)
Die von der Hapag vor der HUMBOLDT EXPRESS in Dienst gestellten Schiffe vom Typ CARIBIA EXPRESS (1.021 TEU) aus dem Jahr 1976 fuhren im CAROL-Dienst (Europa-Karibik) bereits 126 Porthole-Container unter Deck und 120 Integral-Container an Deck. Von diesem Schiffs-Typ wurden damals insgesamt 9 Einheiten bei Stocznia Gdanska, Danzig von 1976 bis 1981 für verschiedene europäische Eigner gebaut.
Schon Anfang der 80ger Jahre holte der Integral-Container langsam auf. Insbesondere in den 90ger Jahren durch den Ausbau von Container-Feeder-Verkehren und durch die Zunahme von intermodalen Haus-zu-Haus-Verkehren in der landseitigen Logistik rückte seine größere Flexibilität in den Vordergrund. Seine verbesserte Zuverlässigkeit, niedrigere Preise und die neuen Möglichkeiten der zentralen Überwachung durch Datenübertragung in ein Computernetzwerk nahmen dem Porthole-Container letztlich die Vorteile. Die Ära der Containerschiffe mit eigenen Ladungskühlanlagen neigte sich dem Ende zu.
Eines der letzten Con-Air-Schiffe wurde 1990 mit der CAP TRAFALGAR abgeliefert.
CAP TRAFALGAR, 1990 von Lübecker Flender Werke, Lübeck an HSDG, Hamburg für den Europa-Südamerika-Dienst (Ostküste). Antrieb 1 Dieselmotor 22.026PS, 1 Propeller, 18,5kn. Insgesamt 3 Schwesterschiffe.
1.960TEU davon 650 Porthole-Container plus 100 Integral-Container an Deck, (38% Reeferanteil, 690.000cbf Kühlkapazität)
INeun Jahre später kam die DOLE CHILE in Fahrt, alle ihre Containerstellplätze, waren mit Reeferplugs für Integral-Container und Datenanschluss ausgestattet. Das Schiff hatte offene Laderäume (open top) und ersparte sich damit die Lüftung.
DOLE CHILE, 1999 von HDW, Kiel an Dole Fresh Fruit Int., San Francisco für den Liniendienst Karibik-USA Ostküste. Antrieb 1 Dieselmotor 32.522PS, 1 Propeller, 21,0kn. Schwesterschiff DOLE COLOMBIA
1.023FEU, 40 Foot Integral-Container, (100% Reeferanteil, 1.781.000cbf Kühlkapazität)
Zum Vergleich, eines der größten je gebauten konventionellen Kühlschiffe, die IVAR LAURITZEN hatte eine Kühlkapazität von 738.000cbf unter Deck. Wird die Kapazität der Stellplätze für Integral-Container an Deck (428TEU, moderne konventionelle Kühlschiffe haben heute immer auch eine große Anzahl von Reeferplugs an Deck) auf diesem Schiff hinzugerechnet, können insgesamt 1.102.000cbf Kühlgüter transportiert werden. Die Geschwindigkeit beträgt 20,0kn (Baujahr 1990, insg. 4 Schwesterschiffe).
Zum Schluss ein gewöhnliches Standard-Containerschiff der Sub-Panamax-Klasse, welches mit seinen von Hyundai H.I. zahlreich gebauten Schwestern als Charterschiff in vielen Linienverkehren anzutreffen ist, die ADRIANA STAR. Ein Schiff mit Stellplätzen für 2.556TEU, gebaut 2003. Sie verfügt über Reeferplugs für 600 Integral-Container (Reeferanteil 23%), also eine Kühlkapazität von 510.000cbf. Die Geschwindigkeit beträgt 21,0kn.
Damit endet meine kurze Geschichte der Containerschiffe, die Kühlcontainer befördern. Die, meiner Meinung nach, wenn sie über mehr als 30% Reeferanteil und über eine eigene Ladungskühlanlage verfügen, durchaus als Kühlcontainerschiffe bezeichnet werden und dem Segment Kühlschifffahrt zugeordnet werden können. Der Integral-Container lässt jedoch die Trennlinie zwischen Kühlcontainerschiff und Containerschiff verschwimmen.
Ich hoffe, der Text war nicht zu lang und Ihr habt Spaß beim Lesen und Anschauen der Bilder.
Meinen herzlichen Dank an Ralf, Peter und CM, die zur raschen Komplettierung der Tonnage zu diesem Sammelprojekt beigetragen haben!
Grüße aus dem verschneiten Bremen