Liebe Sammler,
die KRONPRINSESSAN VICTORIA der schwedischen Sessan Linie im Vorbildzustand des Jahres 1981 habe ich neu in meine Sammlung eingestellt. Das Vorbild gehört schiffahrtgeschichtlich zu den ersten sechs SCHWEDISCHEN Jumbo-Fähren.
DIE ERSTEN SCHWEDISCHEN JUMBOS
Ende der 1970er Jahre bestellten die schwedischen Fährbetreiber Sessan Linjen, Rederi AB Gotland und Rederi AB Sally (ein Mitglied des Viking Line-Konsortiums) jeweils zwei Fähren für ihre jeweiligen Routen von Göteborg nach Frederikshavn, von Nynäshamn nach Visby auf Gotland und von Stockholm nach Helsinki. Alle sechs Schiffe waren Jumbo Fähren, designt nach dem sogenannten „Großblockprinzip“. Im darauffolgenden Jahrzehnt führte der Boom von Freizeit und Konsum, in Schweden als „Champagner-Wirtschaft“ bezeichnet, zu einer Flut neuer Fährbauaktivitäten, die zunächst in Skandinavien begannen und sich dann in ganz Nordeuropa und darüber hinaus ausbreiteten.
DIE ERSTEN JUMBO FÄHREN
Bekanntermaßen bedeutet der Begriff Jumbo wörtlich übersetzt „riesig“ oder „groß“ . In der Logistik bezeichnet er Jumbo-Fahrzeuge mit besonders großem Ladevolumen. Wie und Wann hielt dieser Begriff Einzug in die Schiffahrt?
Als Boeing 1970 den Jumbo-Jet 747 auf den Markt brachte, ein Flugzeug, das zweieinhalbmal so groß war wie der damalige Langstrecken-Bestseller 707 und erhebliche ökonomische Einspareffekte bot, wurden in Anlehnung daran drei Jahre später die größten Kurzstreckenfähren der USA „Jumbo-Fähren“ genannt. Erstmalig die doppelendigen 3.246 Tonnen schweren Schiffe WALLA WALLA und SPOKANE (siehe Fotos unten) von Washington State Ferries, die von Nickum & Spaulding entworfen, von Todd’s Shipyard in Seattle gebaut und 1973 zwischen Seattle und Winslow (auf Bainbridge Island) eingesetzt wurden (Quelle: "SPOKANE": Doppelendige Fahrzeug- und Passagierfähre, Shipping World & Ship Builder, April 1973, S. 397-400)
DIE ZWEI URSÄCHLICHEN FAKTOREN FÜR DAS JUMBO-FÄHRSCHIFFDESIGN IN NORDEUROPA
Bereits in der Nachkriegszeit nahm die Zahl der Fährhäfen deutlich zu. Die Kaianlagen der Häfen waren jedoch in der Regel nicht groß genug, um Fährschiffe aufzunehmen, die kaum länger waren als die der 1960er Jahre, deren Länge meist zwischen 90 und 140 Metern lag. Wenn die Größe der Hafenanlagen nicht deutlich verändert werden konnte, um größere Fähren aufzunehmen, mussten die Schiffe selbst höher statt länger werden. Um den dadurch erhöhten Schwerpunkt auszugleichen, mussten sie zudem verbreitert werden.
Ein zweiter Einfluß Faktor, der zur Entwicklung des Jumbo-Fährdesigns in Nordeuropa führte, waren die steigenden Bau- und Betriebskosten aufgrund steigender Treibstoffpreise und Gehälter für Offiziere und Besatzungsmitglieder. In einer Ansprache vor dem Royal Institute of Naval Architects stellten Aalborg Værft Geschäftsführer Knud Erik Bengsten und DFDSs technischer Direktor Brian Corner-Walker zu diesen Trends folgendes fest:
„Der enorme Kostenanstieg in der Schiffahrt, insbesondere in Nordeuropa, hat die Reeder in viel stärkerem Maße als früher gezwungen, bei der Konstruktion neuer Fährschiffe auf wirtschaftlichen Schiffbau zu setzen. Heute spielt die Philosophie der ökonomischen Einspareffekte eine entscheidende Rolle im Entscheidungsprozess der einzelnen Reeder, was sich in repräsentativen modernen Entwürfen deutlich widerspiegelt. Das „Hochzeitstorten“-Design wurde durch Typen ersetzt, bei denen alle Aufbaudecks – die „gewinnbringenden Decks“ – bis zum letzten Quadratmeter ausgenutzt werden (Großblockprinzip). Man wird sehen, dass das frühere geräumige Vordeck aufgrund der ständigen Suche nach neuen Ertragsflächen im Aufbau bald der Vergangenheit angehören wird.“ (Quelle: K. Bengtsen und B. Corner-Walker, „Car Ferry Design and Development“, vorgetragen bei einem Treffen der Royal Institution of Naval Architects in London am 24. April 1979, Nachdruck aus den Transactions of The Royal Institution of Naval Architects, Band 122, 1980, S.1)
Das bedeutete, dass Fähren künftig nicht mehr wie kleine Passagierschiffe aussehen würden, sondern als schwimmende Plattformen zur allgemeinen Umsatzsteigerung konzipiert würden, sowohl durch die Maximierung der Nutzlast als auch durch die Bereitstellung größerer Decksflächen für den zu erweiterten Einzelhandel. Fähren wandelten sich so vom Transportmittel zu schwimmenden
Einnahmequellen. Das durch deutlich erhöhte Nutzlast entstandene Problem des größeren Wiederstandes beim Manövrieren in engeren Hafenanlagen wurde durch die Verwendung leistungsstärkerer Seitenstrahlruder gelöst.
Das meiste von dem, was ich hier geschrieben habe, wusste ich bisher nicht. Möglicherweise geht es einigen Sammlern genauso, weshalb ich es gerne teile. Recherche Quelle: „The Ferry – a drive-through history" von Bruce Peter und Philip Dawson.
Viel Freude beim Betrachten der Bilder und ein „Jumbo-Wochenende“
Manfred Grimm
Die Fotos in der Reihenfolge von oben nach unten:
Die ersten Jumbo-Fähren WALLA WALLA u. SPOKANE Mitte der 1970er Jahre zwischen Seattle und Winslow (auf Bainbridge Island).
Risawoleska Miniatur KRONPRINSESSAN VICTORIA, 1981
Hochzeitstortendesign versus Großblockdesign – VIKING III versus PRINSESSAN VIKTORIA




