Der Seekrieg 1939-1944 in Karikaturen von Erich Ohser

#1 von proflutz , 01.10.2020 09:29

Der Historiker Gerd Naumann zur Neuerscheinung:

Lutz Kowalzick: Der Seekrieg 1939-1944 in der politischen Karikatur Erich Ohsers. Der U-Boot-Krieg in Zeichnungen von e.o.plauen

Der 2001 verstorbene Sohn von e.o.plauen, Christian Ohser, äußerte einmal gegenüber den seinerzeit für die Kulturangelegenheiten der Stadt Plauen Verantwortlichen, es wäre sein ausdrücklicher Wunsch, dass die zahlreichen Zeichnungen, die sein Vater von 1940 bis 1944 für die Wochenzeitung »Das Reich« angefertigt hatte – und die er, „als wesentlichen Bestandteil seines Gesamtwerks“ betrachte, - einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
e.o.plauen und die Zeitung „Das Reich“

Es sei in gebotener Kürze daran erinnert, dass die einst vielstimmige Zeitungslandschaft der Weimarer Republik nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten mit allen übrigen Medien rasch gleichgeschaltet wurde. Die monotone und plumpe Propaganda der Parteipresse ermüdete die Leser. Im Ausland verlor die deutsche Presse innerhalb weniger Jahre jegliches Ansehen. Eingedenk dessen erdachten die führenden Medienexperten Nazideutschlands 1937 das Konzept einer „großen deutschen Wochenzeitung“, die „das Deutsche Reich für In- und Ausland gleich wirksam und eindringlich publizistisch repräsentiert.“ In jeder Ausgabe sollte ein „Höchstmaß an innerem Gehalt, Gedankenreichtum und Sachsubstanz“ erreicht werden.
Chefredakteur Eugen Mündler besaß die Vollmacht, die journalistische Crème de la crème aus dem „Blätter-Pool“ für seine Redaktion zusammenstellen, „wobei er darauf bedacht war, den Anteil der nationalsozialistisch eingestellten Mitarbeiter möglichst gering zu halten.“ Mitarbeiter wie Theodor Heuss, Max Planck, Elisabeth Noelle und Werner Höfer – und auch ein Erich Ohser - nutzten die Chance, die ihnen eine vergleichsweise liberal eingestellte Redaktion bot: „Die Möglichkeit zur Weglassung nationalsozialistischer Phrasen, der ausweichenden Behandlung von vorgeschriebenen Pflichtthemen, des Ausweichens auf unpolitische Probleme, der vorsichtigen Erwähnung und Einstreuung von tabuisierten Tatsachen und Zusammenhängen – vor allem aber die Gelegenheit, eine graduell differenzierende Schreibweise zu üben, nachdem unter den Zwängen des totalitären Staates, wie sie auch in seiner Presselenkung zum Ausdruck kamen, eine prinzipielle Distanzierung nur unter stärkstem persönlichen Risiko möglich gewesen wäre.“
Am 26.5.1940 ging die Zeitung „Das Reich“ an den Start und wurde bald neben dem „Völkischen Beobachter“ zum zweitgrößten publizistischen Organ in Deutschland, das 1944(!) eine Auflage von 1,4 Millionen Exemplaren erreichte. „Es fällt aus heutiger Sicht nicht leicht, die großen Namen unter den „Reich“-Artikeln“ - und „Reich“-Karikaturen - „ohne Argwohn zu betrachten. Der Wunsch, zu publizieren und den journalistischen Beruf nicht aufzugeben, wog stärker als die grundsätzlich distanzierte Einstellung der meisten Mitarbeiter dem Regime gegenüber. Die latente Gefahr, selbst in ein KZ eingewiesen zu werden, die Befürchtung, dass das Regime wohl nicht tausend Jahre, aber wohl die eigene Lebenszeit überdauern würde, all das verstärkte den Wunsch, sich mit dem Regime „zu arrangieren“. Das gefährliche Resultat war jedoch die Wirkung des Blattes: „Was als Tradierung [der „alten“ journalistischen Werte] gemeint war, wurde zur Transformierung, die den Nationalsozialismus positiv auflud. In den Worten eines Reich-Lesers: die Zeitung ließ Zweifel aufkommen, ob am Nationalsozialismus nicht doch etwas Diskutables sei.“

Neuer Zugang zum Ohser-Werk
Nirgendwo auf dieser Welt fällt es heutigen Betrachtern schwer, den Sinn der stets scharmanten und allgemeinmenschlich angelegten Vater und Sohn–Bildergeschichten von
e.o.plauen zu ergründen. - Ganz im Gegensatz zu seinen politischen Karikaturen, und zwar unabhängig davon, in welcher Schaffensperiode sie entstanden sind. Zeitgenossen Ohsers, die gleichzeitig Leser der Zeitung „Das Reich“ waren, vermochten sicher die meisten Botschaften seiner mit Kommentaren versehenen Karikaturen zu ergründen. Über 75 Jahre nach Veröffentlichung seiner letzten Reich-Bilder stellt sich die Situation ganz anders dar: Die ausschließliche Präsentation politischer Karikaturen in klassischen Ausstellungen ist schwierig und daher eher selten. Bei der Kommentierung der einzelnen Inhalte zwingt die Ausstellung – formatbedingt - zur Beschränkung auf das Notwendigste. Die Erfüllung des Wunsches mancher Besucher nach mehr Hintergrundinformationen würde die Möglichkeiten des klassischen Ausstellungsgenres hoffnungslos sprengen. Andererseits kann es nicht zu den Voraussetzungen eines Ausstellungsbesuchs gehören, zuvor die Geschichte des Zweiten Weltkrieges umfassend und tiefgründig studiert zu haben.

Lutz Kowalzick, habilitierter Mediziner mit Professorentitel, hat dieses Dilemma und die daraus resultierenden Defizite klar erkannt. Unter einem innovativen und zugleich aufklärerischen Ansatz, der überzeugt, schuf er seine aktuelle Publikation mit dem Titel »Der Seekrieg 19391944 in der politischen Karikatur Erich Ohsers. Der U-Boot-Krieg in Zeichnungen von e.o.plauen«. Der Autor leistete mit diesem Werk wieder einmal Pionierarbeit. Gestützt auf die subtile Kenntnis des Ohser-Werkes und sein enzyklopädisches Wissen, vor allem der maritimen Geschichte, verschafft er dem heutigen Rezipienten einen ganz neuen Zugang zum Inhalt eines Teils der Karikaturen, die Ohser zwischen 1940 und 1944 für die Zeitung „Das Reich“ geschaffen hat: Kowalzick erzählt – kenntnisreich, sprachgewandt und allgemein verständlich - die Geschichten hinter den ausgewählten reichlich 150 Bildern.
Die vom Autor entwickelte Methodik lässt sich ohne weiteres auf die Erschließung anderer Themenkreise im Kontext des Zweiten Weltkrieges übertragen. Ich verbinde mit dieser Feststellung die Hoffnung, dass dieses verdienstvolle Buch mit seinem Schwerpunkt Seekrieg bald eine Fortsetzung findet, in der uns der Autor die Geschichten hinter den Ohser-Bildern über den Land- und Luftkrieg erzählt.

Fazit: Lutz Kowalzick hat eine anspruchsvolle und zugleich lesenswerte Publikation vorgelegt, die in keiner Bibliothek eines historisch interessierten Vogtländers und Kunstfreundes fehlen sollte. Das besondere Verdienst des Autors besteht indes darin, zahlreiche Ohser-Zeichnungen aus der Zeitung „Das Reich“ extrahiert, zusammengeführt, kommentiert und einer breiteren Öffentlichkeit mit vorliegendem Buch zugänglich gemacht zu haben. Ein ermutigender Anfang ist damit gemacht. Beachtung über unsere Region hinaus ist der Publikation zu wünschen.

Gerd Naumann 26.09.2020


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RE: Der Seekrieg 1939-1944 in Karikaturen von Erich Ohser

#2 von proflutz , 09.11.2020 10:04

Offensichtlich gibt es bei Amazon noch Probleme, das Buch zu erhalten. Es wurde bislang wohl nicht vom Verlag angefordert bzw. nach dort geliefert. Der Kauf über den örtlichen Buchhändler ist aber mit der ISBN-Nummer: ISBN: 978-3-931954-37-6 kein Problem. Erhältlich für Interessenten auch direkt beim Verlag: Kerschensteiner Verlag, Lappersdorf - https://www.kerschensteiner-verlag.de/shop/lutz-kowalzick/


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zuletzt bearbeitet 09.11.2020 | Top

   

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