Inzwischen ist die Meldung vom Untergang der MOSKVA ja schon ein paar Wochen alt - genug (?) Zeit, mir ein paar Gedanken dazu zu machen.
Als es hieß, sie sei nach Raketentreffern in Brand geraten und dann gesunken, habe ich irgendwie sofort an die SHEFFIELD und die STARK gedacht. Beide sind, genau wie die MOSKVA, in den 1970er Jahren designt worden, und beide wurden von Raketen in Brand geschossen. Die eine sank, die andere konnte gerade noch gerettet werden. Ich musste dann erstmal nachlesen, was die ukrainische Neptun überhaupt für eine Waffe ist, und beim Nachlesen blieben Begriffe hängen wie "Sea Skimmer" und "verbesserte Harpoonski" (die ja die Antwort der SU auf die Exocet war). Für mich als Laien scheint es da sehr starke Parallelen zu geben, oder sehe ich das falsch?
Offenbar haben Schiffe der 1970er - auch nach zahlreichen Modernisierungen wie im Fall der MOSKVA - immer noch erhebliche Probleme, sich gegen Sea-Skimmer-Angriffe zu wehren, und wenn sie erstmal getroffen sind, scheinen sie erstaunlich leicht in Brand zu geraten. Ob das wirklich immer am Raketentreibstoff liegt? Oder waren damals die Brandschutzsysteme vielleicht auch nicht ganz so toll? Da kommt mir der angebliche Ausspruch von Beatty 1916 in den Sinn: There seems to be something wrong with our bloody ships today.
Dabei war die MOSKVA, die ja ursprünglich mal für den Kampf gegen Trägerkampfgruppen konzipiert war, für einen Einsatz vor der ukrainischen Küste doch überhaupt nicht geeignet, und völlig veraltet war sie eben auch. Im Grunde ähnlich wie die BELGRANO, die ja auch dermaßen veraltet war, dass man sich schon wundert, warum der Kommandant der CONQUERER nicht lieber auf die Zerstörer geschossen hat, die waren doch mit ihren Exocet-Werfern viel gefährlicher als der Kreuzer*. Aber die BELGRANO war groß und beeindruckend, und ihr Untergang bedeutete Prestige für die Briten und schwächte die Moral der Argentinier, genau wie es ja auch bei der MOSKVA zu sein scheint. Auch ein altes Schiff, dass - militärisch gesehen - eigentlich kein großer Verlust ist (oder liege ich da falsch?), aber weil es ein "Flaggschiff" ist, wird seine Versenkung dennoch wichtig.
Aber die BELGRANO kommt mir auch in anderer Hinsicht in den Sinn, denn auf ihr sollen ja z.B. viele Lucken nicht dicht gewesen sein, als sie getroffen wurde; allgemein habe ich oft von "zu laxer Disziplin" oder "zu schlechtem Wartungszustand" gelesen. Könnte bei der MOSKVA natürlich ähnlich sein, wenn man sich anschaut, wie das beim russ. Heer derzeit so läuft. Die Crew der STARK hat ihr Schiff retten können, aber die der SHEFFIELD ist auch gescheitert...
Das letzte, was mir in dem Zusammenhang eingefallen ist, ist ein Zitat von Viza-Admiral Souchon über den Untergang des türk. Linienschiffs BARBAROSSA 1915: Um das Schiff ist es nicht allzu schade, es war 23 [!] Jahre alt und sehr aufgebraucht [...]. Aber der Verlust von ca. 300 Menschenleben ist traurig.** Ich hoffe mal, dass es auf der MOSKVA weniger waren, aber ich habe den Eindruck, dass der Verlust des Schiffes allgemein eher überbewertet und der der Besatzung dafür unterbewertet wird.
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*Ich hab' mal gelesen, der britische Kommandant hätte später ausgesagt, dass seinen Informationen nach die BELGRANO mit Excocet nachgerüstet worden sei. Das war aber falsch, die Zerstörer waren nachgerüstet, nicht der Kreuzer. Es würde aber erklären, wieso er auf den Kreuzer geschossen hat und nicht auf die Begleitschiffe.
** aus "Halbmond und Kaiseradler", S. 81.