Die Qualität der hier im MR gezeigten Selbst- und Umbaumodelle ist schon atemberaubend; ich tue mich deshalb etwas schwer, meinen zweiten WTJ-Umbau vorzustellen.
Ich baue eher selten um, und wenn, müssen sich Aufwand und Ergebnis in einem vernünftigen Verhältnis befinden. Mir ist auch klar, dass meine Umbauten einen Kompromiss darstellen zwischen dem, was der ursprüngliche Hersteller wollte, und dem, was ich will und kann. Daraus ergeben sich Ungenauigkeiten. Kritik in dieser Richtung kann also durchaus berechtigt sein, ich verstehe sie. Aber ein Modell muss für mich machbar und akzeptabel sein. Die oft unzureichenden Vorbildunterlagen erschweren das Vorhaben zusätzlich …
Hier zunächst ein Bild der OREL, wie sie geliefert wird:
An diesem sauber gedruckten WTJ Wargaming Modell stimmt leider so einiges nicht. Da ich einen Decksplan hatte, wurde mein Projekt schlagartig umfangreicher. Auch vom Heck der OREL gibt es ein schönes Originalfoto, aber mit einer vollständig anderen Form. Die Anzahl und Aufstellung der Beiboote stimmte nicht mit Plan und Fotos überein. Die Brücke und dazugehörige Aufbauten waren viel zu groß …
Andererseits handelt es sich um ein elegantes Vorbild. Ich fand das Schiff zu attraktiv, um nicht anzufangen! Die OREL wurde 1890 in Newcastle fertiggestellt und versah danach als Passagierschiff u.a. Liniendienst zwischen Odessa und Wladiwostok. 1904 wurde sie in Toulon zum Lazarettschiff umgebaut. OREL war eines der ersten speziellen Lazarettschiffe, verfügte über 9 Operationssäle, 444 Betten und war mit modernen Geräten zur Sterilisation, zum Röntgen und einem Fahrstuhl ausgerüstet. Bekannt wurde sie, weil sie höchstwahrscheinlich der Auslöser der Seeschlacht von Tsushima wurde. OREL fuhr den Vorschriften für Nichtkombattanten entsprechend beleuchtet und wurde so von einem japanischen Hilfskreuzer als erstes Schiff der russischen Flotte entdeckt. Weil ein Teil der Ladung als Kriegsmaterial eingestuft wurde (Telefonkabel) und weil das Schiff Aufklärungsaufgaben für die russische Flotte durchgeführt sowie internierte englische Seeleute befördert hatte, wurde die OREL zur japanischen Prise erklärt.
Das Heck des WTJ-Modells bereitete mir anfangs große Kopfschmerzen. Letztendlich war die Lösung aber doch recht einfach, es musste nur ringsherum abgeschliffen werden, um einen vertikalen Absatz herauszuarbeiten. Das ging sehr leicht, das Material ist „bearbeitungsfreundlich“. Das Achterdeck wurde plan geschliffen; leider waren die zwei vorhandenen Beiboote nicht zu retten, sie zerbröselten beim Versuch sie zu abzutrennen. Dann wurde Plastic Sheet aufgeklebt und wieder geschliffen, bis ringsherum die nach innen geneigte Form des Achterschiffs entstanden war. Eine Winde, Oberlichter sowie zwei Rettungsboote mit Davits wurden nach Decksplan angebracht und Bullaugen gebohrt.
Den zu großen Brückenkomplex musste ich dann durch Einsatz einer Säge entfernen: ein Schnitt vertikal vor den großen Lüftern, einer horizontal auf der mittleren Höhe der Rettungsboote. Es musste ein durchgehendes Deck geschaffen werden und vor den vorhandenen Rettungsbooten mussten zwei weitere ihren Platz finden. Nach vorsichtiger Schleiferei gelang auch das, ich konnte sogar die beiden Lüfter vor dem ersten Schornstein retten; später flutschten sie mir aus der Pinzette, verschwanden, und mussten doch nachgebaut werden!
Die neue Brücke wurde aus Plastic Sheet aufgebaut, diverse Kleinteile wurden montiert. Auf dem Bootsdeck wurden die beiden zusätzlichen Ruderboote (WTJ 1/1500 Ersatzteile sind ausreichend groß) angebracht. Zwei asymmetrisch aufgestellte Kräne vervollständigten das Modell.
Nachdem ich ca. 80 Einzelteile verbaut hatte, sah die OREL so aus:
Um das Bemalen zu vereinfachen, wurden einige Teile (Masten, Kräne, Brückenkomplex, hintere kleine Lüftergruppe) noch nicht montiert. Mit mehreren dünnen Schichten Vallejo-Farbe aus der Sprühdose wurde alles grundiert.
Danach wurde das Modell auf einen schweren, standfesten Holzklotz geklebt, um es besser handhaben zu können. Zum Bemalen habe ich wieder die schnelltrocknenden Acryl-Farben von Vallejo benutzt. Die klaren Konturen und scharfen Kanten des Modells erleichtern die Arbeit.
Mir sind zwei Bemalungsvarianten der OREL bekannt: beim Umbau 1904 in Toulon war das Schiff ganz weiß mit gelben Schornsteinen. Fotos aus Nossi Bé / Madagaskar aus dem Frühjahr 1905 zeigen die OREL auf dem Weg nach Tsushima mit weißen Schornsteinen. Für diese Variante habe ich mich entschieden. Die Abziehbilder der roten Kreuze an den Schornsteinen und für die grünen Seitenstreifen stammen von Stefan Karpinski. Durch Fotos belegt sind auch die dunkel gestrichenen Brückenaufbauten (rotbraun war Standard) und die schwarz-weiße Farbgebung der Masten.
Das ist also meine Version der OREL, sie passt gut zu meinen bereits vorhandenen Russen. Ich glaube, ich werde noch bestehende Lücken meiner Sammlung mit einigen anderen WTJ-Modellen füllen.