Kieler Zinnfiguren - Ein unbeachteter Vorkriegs-Hersteller

#1 von Claudius , 05.04.2019 23:03



Kieler Zinnfiguren - Ein unbeachteter Vorkriegs-Hersteller

Die Frühzeit unseres Hobbys interessiert zunehmend weniger Sammler, es hat sich ein Generationswechsel vollzogen. Während zeitgenössische Modelle mit einer ständig größeren Detailgenauigkeit aufwarten, sinkt das Interesse an den einfachen Modellen aus der Frühzeit des 1/1250-Modellbaus. Bereits jetzt sind einfache Fragen über Ur-Alt-Modelle vielfach nicht mehr zu klären. Auch die magere Fachliteratur lässt viel Raum für Unklarheiten und Spekulationen. Die Geschichte vieler Firmen und Hersteller wurde nicht rechtzeitig recherchiert und dokumentiert, Vieles ist bereits jetzt unwiederbringlich verloren.

Kennen Sie die Firma „Kieler Zinnfiguren“, kurz „KZ“, als Hersteller von 1/1250 Schiffsmodellen? Diese Frage blieb hier im „Münchner Rundbrief“ fast ohne Resonanz als ich sie Anfang Oktober 2018 erstmals stellte.
Bereits vor sechs Jahren fragte ein Sammler auf der englischen Internet-Sammlerseite „Dockside“ mit einem Foto nach dem Hersteller eines Modells.
Die englischen Sammler antworteten sofort: „TREMO“! Der Bodentext sagte jedoch etwas anderes aus. Das erkennbar alte Modell der Graf Spee war mit nämlich mit „KZ“ und „MADE IN GERMANY“ gemarkt. Es handelte sich erkennbar weder um ein WIKING noch ein PILOT Modell. Die Kombination von „MADE IN GERMANY“ und der Firmenbezeichnung „KZ“ für ein Vorkriegsmodell erschienen mir damals absolut widersinnig.
Ein gleiches Modell ist übrigens in „Miniature Ship Models“ von Paul Jacobs auf Seite 29 abgebildet, wieder mitten im Artikel über die englische Vorkriegsfirma „TREMO“. Und natürlich lautet die Bildunterschrift „TREMO Graf Spee“. Ja, es gibt eine „Graf Spee“ von TREMO, die jedoch einen vollen Rumpf, andere Aufbauten und als markantestes Merkmal einen quer zum Schiffskörper angebrachten Katapult mit Bordflugzeug aufweist.

„TREMO“ wurde von dem Exil-Deutschen Friedrich Leo Winkler 1937 in Wales als „TREFOREST MOULDINGS LTD.“ gegründet. Winkler wurde kriegsbedingt 1940 in Großbritannien interniert, seine Firma brach zusammen. Er hatte bis dahin aber mit einzigartiger Produktivität eine große Menge unterschiedlicher 1:1200 Modelle vieler unterschiedlicher Flotten herausgebracht. Naturgemäß lag der Schwerpunkt bei der Royal Navy. Übrigens hat sich auch im Vereinigten Königreich bisher niemand um die Firmengeschichte von TREMO gekümmert, einige offene Fragen zu „KZ“ könnten dann vielleicht beantwortet werden …

Aber zurück in die Gegenwart. Im Zusammenhang mit Zinnfiguren ergab sich die Lösung zur Firmenbezeichnung „KZ“. Es bedeutet „KIELER ZINNFIGUREN“. Die Firma stellt seit Beginn der 1920ger Jahre Zinnfiguren her, und existiert noch immer. Nach einem Zusammenbruch und folgender Neufirmierung Anfang der 30ger Jahre ging es wieder aufwärts.
Auf ihrer Webside (http://www.kieler-zinnfiguren.de/Kilia-Historie.html) wird ohne weitere Details angegeben, dass 1928 die Produktion einer Schiffsmodellserie begann. Über diese frühen Modelle ist nichts bekannt, möglicherweise handelte es sich auch um Schiffe, die im Stil einer Zinnfigur flach ausgeführt waren. Fotos flacher Schiffe finden sich in dem Buch „Kieler Zinnfiguren I“, Edition Krannich, Seite 42.
Unglücklicherweise gibt der Text dieses Buches keine weiteren Informationen. Die Verfasser verwechseln die abgebildeten Flachmodelle mit 1/1250gern, es entsteht der Eindruck, dass sie die vollplastischen Modelle gar nicht kennen. Die abgebildeten flachen Schiffe sind aber wiederum nicht in einer im Buch abgedruckten Liste produzierter Modelle aufgeführt. D.h., dass sich diese Liste eigentlich nur auf die 1/1250er Modelle beziehen kann.
Die Bezeichnung „1/1250“ taucht dabei nicht auf, allerdings stimmen die aufgeführten Modelle mit meinen Beobachtungen der letzten 10-15 Jahre überein. Genau diese Schiffe wurden mit der Herstellerbezeichnung „KZ“ im Internet zur Versteigerung angeboten. Dies wiederum bedeutet, dass der Bodentext bei jedem angebotenen Modell lesbar gewesen sein muss. Auf diese Weise bin ich sogar zu Abbildungen einiger Schiffe gekommen, die natürlich dem Copyright unterliegen und deshalb hier nicht gezeigt werden können.
An dieser Stelle soll erwähnt werden, dass die Firmenbezeichnung „KZ“ kürzlich auch mit dem Dresdner Zinnfigurenhersteller und -händler Karl Zeumer in Verbindung gebracht wurde. Aufgrund einer tabellarischen Firmengeschichte im Internet (siehe Quellenangaben) ist dies jedoch leicht zu widerlegen: die Firma „Karl Zeumer“ hieß bereits seit 1882 „Richard Zeumer“ und firmierte danach ab 1929 unter „Richard Hans Zeumer“. Die Fußbrettchen der Zinnfiguren wurden mit „Z“ und einer Bestellnummer, zB „ Z 110“ gemarkt, oder aber mit „ZD“, was wohl für „Zeumer Dresden“ steht. Zeumer war vor dem Krieg auch Hersteller einer zu Zinnfiguren passenden Serie von historischen Holzschiffen. Die Firma ist 1957 erloschen.

Die Firma „KIELER ZINNFIGUREN“ existiert noch immer und stellt flache Zinnfiguren her. Leider haben zwei Nachfragen dort kein großes Ergebnis erbracht. Ich habe Fotos der 1/1250-Modelle an die jetzige Firmenbesitzerin geschickt, die mir daraufhin bestätigte, das die Fa „KIELER ZINNFIGUREN“ derartige Modelle hergestellt hat. Prospekte, Listen o.ä. soll es dort nicht mehr geben. Durch Luftangriffe während des Krieges wurde der Produktionsstandort zerstört, nur Teile des Formenschatzes konnten gerettet werden. Die „Schiffsserie“ ist nach Auskunft der jetzigen Firmeninhaberin nach dem Krieg nicht mehr abgegossen worden.
Der Verfasser der beiden Bücher über die „KIELER ZINNFIGUREN“ hat mir auf meine Fragen nach mehr Material zu den Schiffen leider nicht geantwortet.

Es könnte folgende Schiffsmodelle gegeben haben (Modelle mit "X" sind durch Angebote in Versteigerungen bekannt, Modelle mit "ES" befinden sich in meiner eigenen Sammlung)

1 Gneisenau X
2 Graf Spee X ES (Graf Spee und Admiral Scheer vermutlich identische Modelle)
3 Admiral Scheer
4 Deutschland
5 Nürnberg X
6 Leipzig
7 Köln X (Köln und Karlsruhe vermutlich identische Modelle)
8 Karlsruhe
9 Königsberg
10 Emden X ES
11 Leberecht Maass X ES
12 Torpedoboot Raubtierklasse X ES

Die kleinen Schiffstypen werden schwer nachzuweisen sein, vermutlich sind sie nicht gemarkt:

13 Geleitboote F 1-10
14 U-Boot groß U 25-26
15 U-Boot mittel U 27-36
16 U-Boot klein U 1-24
17 Minensuchboote M 50 und M 60

Die Numerierung stellt vermutlich keine Bestellnummern dar. Die großen Schiffe sind mit „KZ“ und „MADE IN GERMANY“ gemarkt, teilweise ist aber gerade die Firmenbezeichnung KZ extrem schlecht lesbar, aber an großen Schiffen immer vorhanden. Vermutlich sind die Geschützrohre der mittleren Artillerie immer angegossen und nicht wie bei Wiking durch eingelegten Draht dargestellt. Geschütze der MA sind zum Teil sogar drehbar ausgeführt (Emden), zum Teil von unten her fest verlötet (Graf Spee). An den Masten sind zumeist Rahen befestigt.

Modelle von „KZ“ tauchten immer wieder in England auf, wo man den Bodentext einfach ignorierte und sie unter „TREMO“ einsortierte. Dies geschah wohl deshalb, weil die Art der Bemalung exakt der Gestaltung von „TREMO“ –Modellen entspricht: braun gemalte Decks, Punkte und Striche auf dem Vordeck als Ankerwinden und Ankerketten. Selbst die Farbtöne scheinen identisch zu sein. Vom „TREMO“-Firmengründer Friedrich Leo Winkler wird behauptet, er sei ein ehemaliger Angestellter von WIKING gewesen (siehe Paul Jacobs: „Miniature Ship Models“, Seite 33). Da sich TREMO und KZ-Modelle in der Gestaltung so sehr gleichen, glaube ich ja eher, dass Winkler ein Ex-Angestellter der Kieler Zinnfiguren gewesen sein könnte.



Vergleich zwischen TREMO und Kieler Zinnfiguren: v.l.n.r.:
A. TREMO HMS Hood - B. TREMO HMS Resolution - C. KZ Graf Spee - D. KZ Emden

Der Grund für ein vermehrtes Auftauchen der KZ-Modelle in Großbritannien liegt aber völlig im Dunkeln.
Interesse an den Modellen habe ich seit vielen Jahren; leider habe ich viele Chancen verstreichen lassen, um Modelle zu ersteigern oder erwerben, so dass ich zur Zeit nur die abgebildeten Modelle besitze.
Soweit meine Erkenntnisse. Eine erste Nachfrage im Münchner Rundbrief nach mehr Informationen zur Firma KZ erbrachte kein greifbares Ergebnis. Wer kann mehr zur Schiffsserie der „Kieler Zinnfiguren“ beitragen, bei wem verbergen sich weitere Modelle? Über Kommentare und Ergänzungen würde ich mich sehr freuen.


Torpedoboot der Raubtierklasse


Z1 Leberecht Maass


Emden


Variationen der Emden


Graf Spee

Quellen:
1. „Miniature Ship Models“, Paul Jacobs, Seaforth Publishing 2008
2. „Kieler Zinnfiguren I“, Dr. Egon Krannich, Edition Krannich 2002
3. http://www.kieler-zinnfiguren.de/Kilia-Historie.html
4. http://www.zinnfiguren-bleifiguren.com/F...ml#Werbung_1930


 
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RE: Kieler Zinnfiguren - Ein unbeachteter Vorkriegs-Hersteller

#2 von Achim , 06.04.2019 01:40

Wirklich ein interessanter Artikel Claudius!
War mit voellig unbekannt!
sicher auch richtig, dass sich kaum einer um die Geschichte unseres Masstabs zu interessieren scheint....
Mal sehen.., aber dem gehe ich dieser Tage mal weiter nach!

slds
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