Der Mensch hinter HDS und Entstehung der Firma

#1 von Godeke Michels , 22.12.2018 14:51

Moin!

Erstmal vielen Dank für die Erstellung dieses eigenen Unterpunktes Michael!
Wie komme ich nun dazu, HDS näher vorzustellen?
Mir ist schon länger aufgefallen, dass dieser Hersteller bei vielen, Sammlern wie Händlern, etwas „unter dem Schirm flog“, obwohl er u.a. das mit weitem Abstand größte Angebot an Flugzeugen in unserem Maßstab hatte. Auch in älteren HRs, die ich gerade am Wickel habe (bin jetzt bei 2008 angelangt) wurde für ein besprochenes Trägermodell zu den passenden Flugzeugen stets nur geschrieben, dass Neptun und CAP diese habe, Neptun auch bemalt. Das gab es bei HDS hingegen auch alles, darüber hinaus noch einiges mehr.
Wieso aber nun die Vergangenheitsform?
Herr Heinz-Dieter Schlingelhof ist nunmehr bald Mitte 90 und hat daher die Produktion altersbedingt eingestellt. Allerdings hat HDS leider nicht die Bekanntheit erlangt, wie andere Hersteller mit einem vergleichbar breiten Angebot, was auch daran liegen kann, daß gerade landgestütze Flugzeuge für manchen schon etwas zu weit sind vom eigentlichen Sammelgebiet "Schiffchen".
Ich habe mit Herrn Schlingelhof darüber gesprochen und die Erlaubnis erhalten, auch ein wenig den Menschen hinter der Firma vorzustellen. Das ist mir deswegen möglich, weil wir seit Jahrzehnten ein recht gutes Verhältnis zueinander haben. So habe ich also einige interessante Geschichten von und mit Herrn Schlingelhof erfahren, die ich hier in Auszügen wiedergeben darf.

Herr Schlingelhof kam, wie so viele Sammler der Vorkriegsgeneration, über Wiking-Modelle zu unserem herrlichen Hobby. Er erzählte mir, dass der Erwerb seines ersten Modells vom mühsam abgesparten Taschengeld auf … sagen wir „wenig Gegenliebe“ beim Erziehungsberechtigten traf. Um deswegen nun nicht nochmals mit diesem zusammenzustoßen, begann der junge Heinz-Dieter mit dem eigenhändigen Bau von Modellen. Diese wurden zumeist aus Pappe und später Zigarrenkisten gefertigt. Da er auf diesem Gebiet sein Talent entdeckte, baute er seine Modellflotte mithilfe des Weyers ordentlich weiter aus, was auch den Vorteil für ihn hatte über Einheiten zu verfügen, welche die Freunde nicht hatten, weil sie bei Wiking nicht im Sortiment waren. So konnte also beruhigt im Rahmen von Flottenvergleichsspielen in die Schlacht gezogen werden.

Leider wurden diese unbeschwerten Schlachten schon bald blutiger Ernst und auch Herr Schlingelhof wurde zur Fahne gerufen. Das war im Jahre 1944, als er als Kadett auf Z 39 kam. Insgesamt hielt der liebe Gott in dieser schweren Zeit gleich vier Mal seinen „dicken Daumen dazwischen“ für Herrn Schlingelhof, zwei Mal davon auf Z 39.
Beim ersten Mal verhakte sich in Baltischport (westlich Reval) bei Gefechtsalarm seine Rettungsweste noch unter Deck, so dass er verspätet zu seiner Gefechtsstation (ein 2 cm Flakstand, mittschiffs) kam – bzw. gekommen wäre. Denn genau darunter detonierte eine Bombe und von Stand und Besatzung blieb naturgemäß nichts mehr übrig. Das zweite Mal schlug in der Werft in Kiel bei einem Flächenangriff eine Bombe in dem Unterstand ein, in dem auch Herr Schlingelhof gewesen wäre, hätte er nicht Wache im Achterschiff von Z 39 gehabt. Zwar erwischte es auch das Boot aber da es nicht sank, konnte er nach einigen Mühen unversehrt heraus kommen.
Nachdem es mit der Seefahrt des „1000-jährigen Reiches“ langsam zuende ging und in den letzten Tagen auch alle Marinierten, die nicht mehr auf den wenigen, verbliebenen Einheiten in der Ostsee dem entbehrungsreichen Rettungsdienst nachgingen an die Fronten geworfen wurden, traf es auch Herrn Schlingelhof. Genau genommen endete sein aktiver Wehrdienst in einem Waldstück am Boden liegend durch einen „Heimatschuß“ in den Allerwertesten. Herr Schlingelhof war dem Gegner, in Bäumen sitzende Scharfschützen von Uncle Sam, am dichtesten auf die Pelle gerückt und „sein“ Schütze hatte offenbar das Visier nicht umgestellt, so dass er Herrn Schlingelhofs Kopf überschoss und den verlängerten Rücken traf. Ein glatter Durchschuss ohne Knochen- oder Gefäßverletzungen.
Schließlich, bereits nach Kriegsschluss in Europa, machte er sich dann von Bayern aus, wo er mittlerweile gelandet war, zu Fuß auf den Weg nach Berlin. Allerdings stoppte ihn an der Demarkationslinie ein ungewöhnlich wenig schießfreudiger Rotarmist. Auf die Frage warum er nach Berlin wolle, antwortete Herr Schlingelhof, dass er zu seiner Mutter wolle und Hunger habe. Nach kurzem Überlegen sagte der Rotarmist, Herr Schlingelhof solle sich „hier verstecken“ bis es dunkel sei, er käme dann zurück.
Und tatsächlich brachte dieser nach Sonnenuntergang einen halben Laib Brot und eine Terrine Graupensuppe. Nach dem Mahl schicke er Herrn Schlingelhof „in diese Richtung“ und sagte, er werde dann in die Luft schießen. So geschah es und so gelangte Herr Schlingelhof im weiteren Verlauf unbehelligt nach Berlin. Wer weiß, was ein anderer ("pflichtbewussterer") Soldat an Stelle des unbekannten Rotarmisten getan hätte?
Solche Erlebnisse prägen einen Menschen natürlich und bei Herrn Schlingelhof war es nicht anders. Glück? Ja, einmal bestimmt. Aber gleich vier Mal? Und so elementar? Jedenfalls war für Herrn Schlingelhof forthin klar, immer an das Gute im Menschen und auch an eine höhere Macht zu glauben. Und auch ganz wichtig, er verlor nie seinen herrlichen Humor, mit dem sich sicherlich Einiges leichter ertragen lässt.

Seine Sammlung ging, wie so viele andere Sammlungen auch, im Kriege vollständig verloren. In den ersten Nachkriegsjahren waren dann andere Dinge wichtiger als Modelle. Ein Dach über dem Kopf und voller Magen z.B. und so gab es dann allerlei Tätigkeiten, um wenigstens diesen Grundbedürfnissen gerecht zu werden. Nach geraumer Zeit ergab bis sich dann eine feste Beschäftigung als Versicherungsmakler. Allerdings war nach seinem Erleben spätestens ab den 70er Jahren das Hauptaugenmerk der Konzerne auf die Zahlen gerichtet und so sollten nach seinem Verständnis Neukunden mit allerlei psychologischen Tricks gewonnen werden, etwas, mit dem sich Herr Schlingelhof nicht identifizieren konnte, widersprach es doch zu sehr seinem Wesen. Da zudem der „Zahlendruck“ langsam übermenschlich wurde entschloss er sich sein Hobby zum Beruf zu machen und es begann die Schaffenszeit mit HDS, bald schon von Kassel aus.
Zunächst erschienen Schiffsmodelle im Wikingstil, damit der Sammler dortige Lücken in einer passenden Machart schließen konnten. Bald kamen auch bereits die ersten Flugzeugmodelle, wie die F4U Corsair, damals noch in 1:1000 aber schon sehr fein detailliert und mit dem später typischen HDS-Merkmal auch der feinsten Flugzeugmodelle: einem nur angedeuteten Fahrwerk.

Im Laufe der Zeit erschienen unter dieser Marke hauptsächlich Flugzeugmodelle, von denen nach meinem Dafürhalten einige nach wie vor zu den feinsten überhaupt gehören. Allen voran die gute Tante Ju und die Mitsubishi A6M. Doch auch für Bastler gab es einiges bei HDS an Ersatzteilen, wie Boote, Flöße, Flak, Kanonen, Rotoren und vieles mehr.
Diese sind deswegen so fein, da sie aus Kunststoff gespritzt wurden und der Formenbauer seinerzeit selbst ein großes Interesse daran hatte, die Formen so genau wie möglich zu erstellen. Ihm ging es nicht um die „schnelle Marie“, sondern um das Ergebnis. So einen Menschen muss man erst einmal finden. Dieser hatte mit großer Sorgfalt von größeren Modellen, die Herr Schlingelhof erstellte, die Linien und Formen der Flugzeuge abgegriffen und diese wurden dann dabei verkleinert in die Form gefräst. Alles analog.

Beim Spritzguss selbst kam es dann auf die richtige Zusammensetzung des Kunststoffes, dessen Temperatur und natürlich den richtigen Druck an, damit die Formen exakt auslaufen. Doch machten das spezialisierte Firmen, die dafür beauftragt wurden und die wussten zumeist, was sie taten. Mit einer Ausnahme. Bei der Form der Swordfish wurden Ober- und Unterteil um 180 ° verdreht in der Mutterform platziert, so dass bei dieser Form die Tragflächen zerquetscht wurden.
Ich habe hier ein paar Bilder von einer Mutterform und der Art der jeweiligen Einsätze, der Modellformen an sich. Auf dem ersten Bild sieht man die Mutterform geschlossen von der Seite. Auf dem zweiten Bild sieht man die geöffnete Form, die drei Auswurfbolzen sind in Auswurfposition. Dadurch wird der Spritzbaum aus der Form befördert. Und auf dem dritten Bild sieht man 2 Modellformen, geschlossen und offen in Nahaufnahme. Die offene zeigt (natürlich…) die Mitsubishi A6M. Hoffe, das ist alles gut zu erkennen.





Bekanntermaßen ist aber nichts so beständig wie der Wandel und so verließ der meisterliche Formenbauer eines Tages die Firma, in der die Formen erstellt wurden. Und da sich kein adäquater Ersatz finden ließ, baute Herr Schlingelhof seine Formen künftig selbst. Allerdings komplett aus Gips und ohne Kautschuk. Das machte die Rohlinge natürlich entsprechend und die Bearbeitung nach dem Guss war eine deutlich intensivere. Hier wurde dann natürlich auch mit Metall gegossen.
Doch konnte auch die notwendige, intensive Bearbeitung der Rohlinge den weiteren Aufbau eines großen Angebotes an „1250-Fliegern“ nicht aufhalten und so wurde bald vom WK I bis zur Northrop B2, militärisch aber auch zivil sehr vieles dargestellt.

Ich habe noch eine Liste von 2007 gefunden, die ich mir seinerzeit als pdf gescannt habe:

[[File:HDS, neu.pdf]]


Schließlich baute Herr Schlingelhof auch Urmodelle für andere Hersteller, so z.B. die CONTE DI SAVOIA und die ESSO MERCIA für Mercator. Bei letzterer erkennt man die Herkunft des Urmodells ganz gut an den Löschmonitoren, die den 2 cm Einzelflak doch „recht ähnlich sehen“. Und er arbeitete mit Ensign aus Großbritannien zusammen, mit denen auch eine eigene Unterserie entstanden ist, vgl. dazu im Sammelhafen unter Transit.

Da ich gerade bei den Schiffen einige Lücken habe, fühle sich bitte jeder herzlich eingeladen, fehlende Modelle in Bild und Text einzustellen.

Beste Grüße,

Thorsten F.


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Dateianlage:
HDS, neu.pdf

 
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RE: Der Mensch hinter HDS und Entstehung der Firma

#2 von MartinC , 23.12.2018 13:02

Danke für die interessante Gelegenheit etwas über Hintergründe zu erfahren.
Der Katalog ist auch super. Ich hab diesen schnell mit der Gesamtliste abgeglichen und schon einige Modell gefunden, die in der Liste fehlen. (Hätte ich gar nicht erwartet.)

Kannst Du mir evtl. den Katalog vom Jahr 2000 zukommen lassen? So wie ich den Katalog 2007 verstanden habe sind hier die Restbestände gelistet und im Katalog 2000 das gesamte Programm. Würde gerne die Gesamtliste noch ergänzen.

sg
Martin



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RE: Der Mensch hinter HDS und Entstehung der Firma

#3 von Godeke Michels , 23.12.2018 15:01

Hallo Martin!

Tut mir leid, die habe ich leider nicht und auch Herr Schlingelhof hat sie nicht mehr. Aber vllt ist in Wiedling's Modellregister noch etwas mehr zu finden?

Beste Grüße,

Thorsten F.


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Der Mensch hinter HDS

#4 von Godeke Michels , 03.04.2021 11:37

Moin,
Herr Schlingelhof trat am 30.04.2021 seine letzte Reise an.
Ich bin dankbar, daß ich über unser gemeinsames, herrliches Hobby in ihm einen großartigen, vielseitig interessierten, stets gütigen und heiteren Menschen finden durfte.
Vielen Dank für alles und gute Reise!
Dein Vize


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RE: Der Mensch hinter HDS

#5 von Godeke Michels , 03.04.2021 13:34

Sorry, zu krumme Finger...
30.03. natürlich.


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RE: Der Mensch hinter HDS

#6 von Niels Neelsen , 03.04.2021 18:23

Moin, Thorsten, falls Du überhaupt noch Infos über die Berliner Zeit von HDS benötigst, gebe ich hier meine E-Mail :
h-n-neelsen@t-online.de
Ich habe Heinz-Dieter am 7.12.1953 kennengelernt, war im Januar 1954 erstmals in seinem Haus in der Quantzstraße in Zehlendorf und von da an haben wir regelmäßigen Kontakt gehabt, bis er Berlin verließ. Er hat hier einen festen Kreis zusammen gebracht. Zu der Z 39-Geschichte hat er uns noch eine besondere Einzelheit erzählt. Jedenfalls verdanken wir ihm sehr viel und werden sein Andenken ehren und bewahren
Herzlichst
Niels


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RE: Der Mensch hinter HDS

#7 von Michael Andreas , 04.04.2021 12:35

Auch ich kannte Heinz-Dieter schon seit 1952/1953 über einen inzwischen auch schon verstorbenen Freund. Es gab damals in Berlin-Lichterfelde ein Geschäft Flug-Bufe, in dem man Wracks von Wiking-Modellen erwerben konnte. Heinz-Dieter sprach dort auch schon mal andere Käufer an und so kam es zu einem engeren Kontakt. Es entwickelte sich ein Kreis von etwa 6-8 Sammlern, die nicht nur Modelle austauschten sondern sich auch einem jahrelang andauernden Strategiespiel hingaben, in dem ihre Flotten eingesetzt werden konnten und Heinz-Dieter, der immer die größte hatte, als angreifender Bösewicht für Belebung sorgte.
Als ich 1968 von Berlin nach Frankfurt zog traf ich ihn in der Nähe wieder und durfte bei seiner Hochzeit in Kassel sogar Trauzeuge sein. In den letzten Jahren litt er unter altersbedingten Beschwerden und unsere Kontakte beschränkten sich auf regelmäßige Telefonate. Jetzt hat er seinen Frieden gefunden und wird nicht nur in meiner guten Erinnerung weiterleben. Und wenn ich in meine Sammlung schaue wird mich auch sein letztes Geschenk an ihn erinnern, eine Ju52 mit Schwimmern.


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